Ab der Taufe Spezialagent Gottes
22. September 2018
Trotz seines in der Fastenzeit besonders dichten Terminkalenders nahm sich Bischof Wilhelm Krautwaschl Zeit für ein Interview mit dem Barthlmäer und plauderte über geteiltes Leid, Religionsunterricht, Arbeit und James Bond.
Ein Interview von Heimo Lercher
Warum wird Weihnachten – also Christi Geburt – bei uns so viel intensiver gefeiert als Ostern, das Fest seiner Auferstehung, die ja das größere Wunder ist?
Wenn ich die Mitfeiernden bei all den Osterspeisen-Segnungen zusammenzähle, sind das sicher weit mehr Menschen als zur Weihnachtsmette gehen. Theologisch ist natürlich das Osterfest bedeutender, es wird ja auch über eine ganze Woche gefeiert. Wir erleben halt den strahlenden Advent anders als die karge Fastenzeit. Ostern ist mehr ein Fest der Vernunft, während Weihnachten mehr eines der Gefühle ist … das Christuskind in all seiner Lieblichkeit – auch wenn der, der dort in Bethlehem geboren wird, dann 33 Jahre später am Kreuz sterben wird.
Was sagen Sie Menschen, die nach einem Schicksalsschlag mit ihrem Glauben hadern?
In solchen Momenten hat es meist geholfen, dass ich meine eigene Ratlosigkeit mit den Betroffenen geteilt habe. Hier geht es auch darum, dass Gott selbst Mensch geworden ist, um das Leid der Menschen zu teilen. Gott hat nicht gesagt, dass er alles verhindert, sondern dass er mit uns in die letzten Winkel und in die extremsten Erfahrungen unseres Menschseins hineingeht. Das hat er gesagt und das ist Liebe.
Seit 20 Jahren gibt es den Schulversuch „Ethikunterricht“ und den Vorschlag, den Religionsunterricht damit zu ersetzen. Was meinen Sie dazu?
Ethik geht immer von bestimmten Ideologien aus. Und das ist eigentlich schon die Antwort, warum ich Religionsunterricht brauche. Da weiß ich, wofür jemand in Fragen der Ethik steht. Es muss klar sein, um welche Werte es dabei geht und aus welchem Blickwinkel sie gesehen werden. Zugleich wäre es gerecht, dass jene Schüler, die keinen Religionsunterricht besuchen, etwas auf der Werte-Ebene mitkriegen. Das ist meine Alternative.
Warum haben so viele Menschen Angst davor, dass der Islam unsere Kultur verändert?
Gegen Angst lässt sich nicht argumentieren. Ich halte ich es da mit dem Noch-Innenminister von Deutschland, Thomas de Maizière, der einmal gesagt hat: Wir haben als Gesamtgesellschaft jahrzehntelang das Phänomen Religion unterschätzt. Und ich persönlich glaube, dass wir in Österreich auch noch an diesen Punkt kommen werden. Und dort heißt es dann für mich: Lebe ich das, was ich bin, brauche ich keine Angst zu haben – vor nichts und vor niemandem, auch nicht vor jenen, die vorgeben nichts zu leben.
Glauben Sie, dass noch unter Papst Franziskus das Priesteramt für Frauen geöffnet wird?
So schnell glaube ich nicht. Wenn ich ernsthaft auf die Suche nach Lösungen gehe, dann muss ich auch alle Konsequenzen bedenken. Und in diesem Zusammenhang würde ich bitten, dass wir die Europa-Zentriertheit unserer Argumentation ablegen, denn wir sind eine Weltkirche. Wir wollen immer, dass alle so zu sein haben wie wir. Außerdem gibt es mit den Diakonissinnen einen möglichen dritten Weg. Dazu hat unser Papst eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die das genauestens prüft. Inhaltlich könnte ich sagen: Was ist eine Religionslehrerin anderes als eine Diakonissin? Sie erfüllt einen Auftrag der Kirche, sogar auf Dauer, wenn ich an die Missio denke. Aber ob das Weihe braucht …?
Wie fastet der Bischof?
Indem er einen noch strengeren Terminkalender hat als sonst. Wir sind jetzt momentan in einem Reformprozess, der oft nur als Strukturreform wahrgenommen wird, wo es aber im Grunde darum geht, wie wir uns als Kirche künftig in der Gesellschaft verstehen. Ich bin erst heute Nacht aus dem heiligen Land zurück gekommen und schon übermorgen geht es weiter nach Bosnien, dort haben wir nächste Woche Bischofskonferenz.
Hat der Bischof etwas zu beichten?
Ja sicher (lacht). Aber das sage ich nur meinem Beichtvater.
Bei wem beichtet der Bischof?
Ich gehe normalerweise zu den Franziskanern. Das geht zwischendurch und das bemerken meine Mitarbeiterinnen vorne im Büro kaum, denn Beichten steht nicht in meinem Terminkalender.
Wofür braucht der Bischof die meiste Arbeitszeit?
… was ist Arbeit? Ich könnte jetzt sagen: Das Gebet, zu dem ich mich seinerzeit als junger angehender Diakon verpflichtet habe. Damit verbringe ich jeden Tag eine gewisse Zeit. Aber ist das Arbeit, mit Gott zu reden? Oder wenn ich mich mit jemandem zum geistlichen Austausch treffe – ist das Arbeitszeit? Natürlich könnte ich das so sehen, aber ich rede halt gern mit Leuten. Die meiste Zeit verbringe ich mit Menschen.
Ihr schönstes Erlebnis als Bischof?
Die schönsten Momente sind jene, in denen ich das Gefühl habe, dass durch die Art und Weise, wie ich anscheinend mit Menschen umgehe, ein Teil vom Reich Gottes durchschimmert. Weil ich dann spüre, dass bei den Leuten die Botschaft dahinter ankommt und nicht nur der Krautwaschl.
Ist der Tag Ihrer Bischofsweihe ein Jubiläum, das Sie bewusst feiern?
Ich denke zwar daran, aber wichtiger sind mir mein Tauftag, der 17. März, und der 27. Mai, der Tag meiner Firmung. Beide stehen auch in meinem Kalender und ich lerne daraus Dankbarkeit. Es ist einfach etwas Schönes, dass ich um Gott wissen darf und in der Kirche mit ihm gehen darf.
Wer postet auf der Facebook-Seite des Bischofs?
Wenn nicht „red“ dabei steht, was Redaktion heißt, der Bischof selber.
Sie gelten als James-Bond-Fan. Hat diese Leidenschaft damit zu tun, dass einige der jüngeren James Bond Abenteuer von einem ehemaligen Priester geschrieben wurden?
Damit hat das nichts zu tun, sondern damit – das klingt jetzt vielleicht ein bisschen blöd –, dass man weiß, was los ist. Da gibt es einen, der sicher rettet … und du weißt, was dich erwartet und dass es gut ausgeht.
Ist der Bischof eine Art „Spezialagent“ im Auftrag Gottes?
(lacht) So wie jeder Getaufte ein Spezialagent Gottes ist. Ich darf nur amtlich dafür einstehen und das in Erinnerung rufen. Aber Gott hat jedem Menschen mit der Taufe anvertraut, die Welt nach seinem Bild zu gestalten.