„Ich bin nicht in die Politik gegangen, um Karriere zu machen“
23. September 2018
Nach zwei abgeschlossenen Studien wurde sie mit 26 Jahren Bundesrätin und ist seit dem Vorjahr Landesrätin für Wirtschaft, Tourismus, Europa, Wissenschaft und Forschung. Dem Barthlmäer verriet Barbara Eibinger-Miedl unter anderem, warum sie nie eine Politkarriere angestrebt hat.
Ein Interview von Heimo Lercher
Der Philosoph Richard David Precht meint, dass das Erwarten von Lebenskomfort und Problemlösungen wenig mit politischem Denken zu tun habe. Was halten Sie in einer Zeit, in der sich viele Menschen von Parteien distanzieren und Wahlbeteiligung stetig sinkt, für die Aufgabe von Politik?
Politik hat für mich grundsätzlich die Aufgabe, zu gestalten. Österreich hat sich in den letzten Jahrzehnten einen Wohlstand erarbeitet. Jetzt geht es darum, die Weichen so zu stellen, dass wir diese Lebensqualität bewahren. Und dafür gilt es eine Reihe von Herausforderungen zu meistern: zum Beispiel die Digitalisierung oder die alternde Gesellschaft – man muss jetzt eine nachhaltige Lösung für das Pflegethema finden.
Wie lautet Ihre persönliche Mission – was unterscheidet Ihren Stil von dem anderer Politikerinnen und Politiker?
Mir wird immer wieder attestiert, ich sei eine untypische Politikerin, weil mir die Sachpolitik wichtiger sei als die nächste Schlagzeile. Ich möchte nachhaltige Politik für die nächsten Generationen machen anstatt immer nur auf den nächsten Wahltermin zu schielen.
Am 1. Juli 2018 übernimmt Österreich die EU-Ratspräsidentschaft. Welchen nachhaltigen Impuls kann und sollte das kleine Österreich in diesen sechs Monaten geben?
Wir übernehmen die Präsidentschaft in einer sehr spannenden Phase. Weil die EU gerade mit entscheidenden Fragen beschäftigt ist, zum Beispiel. Wie geht es nach dem Brexit weiter? Die Bundesregierung hat sich auf das Thema Sicherheit, – also eine Union, die schützt – als Leitthema festgelegt. Und ich persönlich freue mich sehr, dass wir in der Steiermark eine KMU-Konferenz zur künftigen wirtschaftspolitischen Ausrichtung der EU haben werden.
„Wachstum durch Innovation“ lautet das Leitthema der von Ihrem Vorgänger übernommenen steirischen Wirtschaftsstrategie. Bleibt Wachstum oberstes Ziel Ihrer Wirtschaftspolitik oder haben Sie andere Prioritäten?
Das übergeordnete Ziel muss sein, dass Menschen Arbeit haben, von der sie leben können. Sprich: Arbeit schaffen für Selbstständige, aber auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im derzeitigen Wirtschaftssystem hängen einfach Arbeitsplätze direkt mit dem Wirtschaftswachstum zusammen.
Was wird sich in der Arbeitswelt durch die fortschreitende Digitalisierung in den nächsten zehn Jahren am stärksten verändern?
Ich glaube, dass wir viele Dinge, die da mit rasender Geschwindigkeit auf uns zukommen, noch nicht abschätzen können. Branchen wie der Handel werden jedenfalls massiv betroffen sein. Wir wissen, dass erst 15 Prozent der österreichischen Firmen mit ihren Produkten und Leistungen im Internet vertreten sind, während auf der anderen Seite schon 70 bis 80 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher online einkaufen. Das Gleiche gilt im Tourismus.
Die selbstständigen Alleinunternehmer bzw. EPU sind die am stärksten wachsende Gruppe in der Arbeitswelt. Wie kann die laut Verfassung aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern bestehende Sozialpartnerschaft dieser Entwicklung noch gerecht werden?
Kürzlich wurde Harald Mahrer Präsident der Wirtschaftskammer Österreich. Ich finde es klug und mutig von ihm, dass er aus der Sozialpartnerschaft eine Zukunftspartnerschaft machen will. Weil er als junger Politiker erkannt hat, dass man in einem globalen und digitalen Zeitalter neu an die Sache herangehen muss. Die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte sind unbestritten, aber die reale Arbeitswelt hat sich geändert. Die Grenzen verschwimmen: Viele sind Arbeitnehmer, dann eine zeitlang selbstständig, dann wieder Arbeitnehmer. Es ist auch nicht mehr so, dass man in dem Betrieb, wo man seinen Beruf erlernt, bis zur Pensionierung bleibt.
Die Wandlung der ÖVP in die „neue Volkspartei“ sehen viele – auch VP-Insider – als perfekte Marketing-Aktion. Was sind die größten realen Neuerungen in der „neuen“ Volkspartei?
Erstens sieht man es daran, dass das Regierungsteam der VP aus vielen Quereinsteigern besteht. Zweitens haben wir nach Jahrzehnten gegenseitigen Anpatzens innerhalb der Koalition einen neuen Stil in der Bundespolitik. Und man merkt, dass diese Koalition tatsächlich große Reformen anpackt, auch wenn diese unangenehm sind und natürlich nicht jedem gefallen werden.
Medien bezeichnen das Beschneiden der Einflüsse von Ländern und Bünden innerhalb der ÖVP als wichtigste Änderung der Ära Kurz. Ist das so und wie verspüren Sie die geänderten Machtverhältnisse?
De facto gibt es einen Parteibeschluss, der den Obmann gestärkt hat. In der Realität schafft es Sebastian Kurz sehr geschickt, sich mit den Ländern abzustimmen und dann geschlossen nach außen zu gehen. Ich sehe die Länder nicht geschwächt, sondern den Umgang zwischen Bund und Ländern verbessert.
Sie sind eine der vier Stellvertreterinnen von Sebastian Kurz im Bundesparteivorstand der ÖVP. Was halten Sie für seine drei größten Stärken?
Klarheit in der Sprache, Mut zu Entscheidungen und dass er seinen Standpunkt vertritt, auch wenn es unangenehm wird.
Sie sind Ehefrau und Mutter. Wie groß ist der Anteil an Privatheit, den man als Profi-Politikerin seinem Beruf opfern muss?
Als Politiker ist es überhaupt schwer, das zu trennen. Ich bin von Montag bis Sonntag Politikerin mit Leib und Seele und egal, wo ich hingehe, werde ich als Politikerin erkannt. Deswegen kann ich für mich nur bemessen, wie viel Zeit ich der Familie einräumen kann und wie viel dem anderen Teil. Mein Mann ist Fan und Kritiker zugleich und gibt mir großen Rückhalt.
Manche Zeitungen handeln Sie schon als mögliche Nachfolgerin von Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie das lesen?
Bei mir war es bisher immer so, dass ich ja gesagt habe, wenn ich gefragt wurde. Und wenn ich eine Funktion übernommen habe, habe ich sie bestmöglich und mit Freude ausgefüllt. Ich habe aber nie Zeit dafür aufgewendet, mögliche Karrierewege zu planen, weil ich ohnehin mit dem ausgefüllt bin, was ich gerade tue. Ich bin auch nicht in die Politik gegangen, um dort Karriere zu machen. Mir ist es immer darum gegangen, Dinge zu verändern und zu gestalten.