Der Steirer Hödlmoser stammt ursprünglich aus Salzburg
23. September 2018
Durch seinen 1973 erschienenen Roman „Aus dem Leben Hödlmosers“ wurde der Satz „Steirerblut ist kein Himbeersaft“ zum geflügelten Wort. Er gewann zahlreiche Literaturpreise und gilt als steirisches Original. Der Barthlmäer interviewte den Schriftsteller Reinhard P. Gruber in seiner weststeirischen Wahlheimat Marhof.
Ein Interview von Heimo Lercher
Sie sind seit 40 Jahren „freier Schriftsteller“. Wie sieht der berufliche Alltag eines Schriftstellers aus?
Sehr verschieden. Es gibt Schriftsteller, die schreiben jeden Tag. Bestsellerautoren müssen ja jedes Jahr ein Buch herausbringen. Mir ist das wurscht. Ich schreibe dann ein Buch, wenn ich glaube, dass ich muss. Das heißt, ich habe längere Phasen, wo ich nichts tue. Nichts tun heißt für mich in der Regel reisen. Reisen gehört zu den wichtigsten Anregungen für das Schreiben und das Leben überhaupt.
Was inspiriert sie am meisten?
Eindeutig die Bücher, das Lesen. Als Mitarbeiter und Abonnent der Zeitschrift „Manuskripte“ bekomme ich eine interessante Vorauswahl an Texten der Gegenwartsliteratur. Ich bin ja auch noch dabei, die Vergangenheitsliteratur aufzuarbeiten. Im Laufe des Lebens kommst du drauf, dass sie dir in der Schule einen großen Anteil der wichtigen Literatur verschweigen. So habe ich zum Beispiel erst vor kurzem Stefan Zweigs „Die Welt von gestern“ gelesen.
Inwieweit hat sich ihre Arbeitsweise im Laufe der Jahrzehnte verändert?
Früher habe ich gegen Mitternacht zu schreiben begonnen. Im Alter hat sich das gelegt. Jetzt schreibe ich gleich nach dem Frühstück und bin zu Mittag fertig. Zu der Zeit, als ich früher geschrieben habe, schlafe ich jetzt längst.
Im „Hödlmoser“ verwenden Sie die Kleinschreibung. Ein Phänomen, das mit den elektronischen Medien immer häufiger wird. Was steckte dahinter?
Zum einen war da H. C. Artmann, der auch alles klein geschrieben hat und ich habe festgestellt, dass ich auf der Schreibmaschine schneller war, wenn ich nicht auf die Großschreibung achten musste.
… und heute auf dem Laptop?
Das habe ich schon hinter mir. Ich schreibe heute mit der Hand, mit dem Kugelschreiber. Weil mich die Maschinen im Lauf der Zeit immer mehr genervt haben. Auf dem Computer bist du sehr schnell beim Ändern, heißt es. Ich bin aber noch viel, viel schneller, wenn ich mit der Hand etwas durchstreiche. Ein halber Satz oder eine ganze Seite ist innerhalb einer Zehntelsekunde ausgelöscht.
Wenn Sie nicht Schriftsteller geworden wären – was dann?
Meine erste Idee war, Psychologie zu studieren, also bin ich nach der Matura nach Wien gegangen, weil es das in Graz als Hauptfach nicht gab. Leider musste ich damals erkennen, dass es nicht um die Psychologie von Sigmund Freud und Viktor Adler, sondern um statistische Berechnungen von Gehirnströmen ging. Durch einen Studienkollegen bin ich dann auf die Philosophie gestoßen und habe begonnen, Kant, Sartre und Camus zu lesen. Eines Tages habe ich dann beschlossen: Ich brauche diese ganzen Aufstiegsgeschichten nicht, kein Auto, keine Frau. Ich gehe ins Kloster und kann dort ein geistiges Leben führen ohne aufs Geld zu schauen. So bin als Novize zu den Benediktinern ins Schottenstift.
Das heißt, Sie wären beinahe Mönch geworden?
Das war der Plan. Weil es mir einen Lebensentwurf erlaubt hat, der vom Üblichen abgewichen ist, eben ohne Karriere und Erfolg.
Und warum haben Sie dann das Kloster wieder verlassen?
Weil ich die Mönche kennen gelernt habe. Es sind dort Intrigen gelaufen, die ich so nie für möglich gehalten hätte. Es gibt in Klöstern halt genau so eitle und ehrgeizige Menschen wie außerhalb. Mein Theologiestudium habe ich trotzdem abgeschlossen.
Inwiefern ist Ihre Romanfigur „Hödlmoser“ ein typischer Steirer?
Als ich mit dem Hödlmoser begonnen habe, war überhaupt nicht klar, dass er in der Steiermark spielt, das wissen die wenigsten. Erst am Schluss ist mir eingefallen, ich kenne ja jemanden, der Hödlmoser heißt und der nahe meiner Geburtsstadt Fohnsdorf im Kumpitz wohnt. Ursprünglich hatte ich den Namen aus Salzburg, von einem Galeriebesitzer Johann Hödlmoser. Ich habe auch in Salzburg die ersten Kapitel geschrieben.
Wie würden Sie in wenigen Sätzen die Steiermark beschreiben?
Ein Land, wo der Tourismus noch nicht die Tagesabläufe der Menschen bestimmt, wie zum Beispiel in Tirol. Hier ist das richtige Leben noch da, das ist ein großer Vorteil.
Über den Begriff „Heimat“ wird aktuell viel diskutiert. Was ist Heimat für Sie?
Heimat ist natürlich dort, wo man angenehm lebt, wo man sich identifizieren kann. Wenn man aber sieht, wie Tag für Tag abertausenden Menschen ihre Heimat zerbombt wird, erscheint einem unser Heimatbegriff sehr oberflächlich und abgelutscht.
In letzter Zeit haben einige Künstler politische Statements abgegeben. Wie sehen Sie die gesellschaftspolitische Rolle bzw. Aufgabe der Kunst?
Die Wirkung von Kunst ist sehr gering. Natürlich haben alle Künstler den Impetus, die Welt zum Besseren zu verändern. Aber selbst, wenn ein Autor seine Werke millionenfach verkauft, ist er noch lange kein Staatsmann, der ein Volk regiert und die Macht hat, Krieg zu verhindern.
Bitte vervollständigen Sie den Satz: „Europa ist …“
… ein eigenartiges Konglomerat, von dem man überhaupt nicht sagen kann, wie das noch ausgehen wird. Es werden auf keinen Fall die Vereinigten Staaten von Europa daraus, so viel traue ich mich zu sagen. Vielleicht wird es wieder zerfallen wie zu Zeiten des Europas der kleinen Herzogtümer. Derzeit legt das Einstimmigkeitsprinzip Europa lahm.
Haben es Nachwuchsliteraten heute leichter oder schwerer als zu jener Zeit, als Sie am Anfang standen?
Einerseits gab es noch nie so viele Möglichkeiten zu Publizieren wie heute, auch durch das Internet. Andererseits waren der Druck und die Konkurrenz noch nie so groß. Allein die „Manuskripte“ bekommen im Schnitt fünf Zusendungen von pro Tag. Die Buchmessen können die Masse der Neuerscheinungen gar nicht mehr bewältigen.
Was raten Sie einem jungen Menschen, der sein Talent spürt und Schriftsteller werden will?
Einfach schreiben, Dinge ausprobieren und einen langen Atem haben.